Seit einigen Jahren leidet die deutsche Provinz unter einem wachsenden Ärzte-Mangel, immer weniger Mediziner wollen eine Praxis auf dem Land gründen. Die Kreis-CDU hat das Problem nun zum Anlass genommen, um über die Hausarztversorgung im Osnabrücker Land zu diskutieren.
Zur Diskussion um die Hausarztversorgung im Landkreis Osnabrück lud die Kreis-CDU ein. Dabei (von links) Erster Kreisrat Stefan Muhle, Dr. Jan Sievert, Dr. Mechthild Hoppe und Dr. Konrad Grabenschöer. Foto: Hermann Pentermann „Der Hausarzt ist weg, die Kirche ist nicht mehr da, eine Breitband-Versorgung ist auch nicht sicher – all das könnte dazu führen, dass es in den nächsten Jahren einen starken Zug in die Metropolen gibt“, sagte Martin Bäumer zu Beginn der der Veranstaltung im Kreishaus. Der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion hatte auf Anregung des Parlamentarischen Geschäftsführers Bernward Abing zu einer Diskussion zum Thema „Hausarztversorgung im Landkreis Osnabrück“ geladen. Abings Hausarzt, der Neuenkirchener Allgemeinmediziner Konrad Grabenschröer, eröffnete die Diskussionsveranstaltung mit einem Vortrag, in dem er die aus seiner Sicht zentralen Probleme benannte, vor denen ein Hausarzt auf dem Land heute steht. „Es beginnt mit der ungebremsten Nachfrage: Wir können uns vor Arbeit nicht retten.“ Dann gebe es das Problem der sogenannten festgeschriebenen Gesamtvergütung. „Wir Landärzte können mit den uns zugewiesenen Budgets eine ärztliche Versorgung eigentlich nicht sicherstellen.“ Auch die Honorar-Pauschalen kämen den Landärzten wegen ihrer oft enormen Zahl an Patienten nicht entgegen. „Pauschalen sind immer schlecht für den, der sehr viel Leistung in dieser Pauschale unterbringen muss.“ Grabenschröers Fazit: „In der Stadt ‚verarztet‘ es sich leichter, als angestellter Arzt lebt es sich sorgloser.“ Viele Meinungen wurden anschließend ausgetauscht, viele Ärzte berichteten von ihrer herausfordernden beruflichen Situation – aber niemandem wurde so viel Respekt gezollt wie Mechthild Hoppe aus Bippen. „Ich habe pro Quartal 1700 bis 1800 Patienten, weil ich eine Einzelpraxis betreibe, muss ich ein Viertel mehr arbeiten als Kollegen in einer Gemeinschaftspraxis. Die Investitionskosten für die Praxis muss ich immer noch abbezahlen, und ich bin alleinerziehende Mutter von vier Kindern.“ Mechthild Hoppe vergaß nicht zu erwähnen, dass ihr ihr Job als Hausärztin auf dem Land trotzdem viel Spaß mache – doch welche junge Medizinerin wird in Zukunft noch bereit sein, einen ähnlichen Aufwand zu treiben? Und das auf dem Land, wo doch seit Jahren die meisten jungen Ärzte in die Ballungszentren strömen? Knapp 65 Prozent aller Medizin-Absolventen sind weiblich, doch nach dem Studium arbeiten – in Relation zu den Absolventenzahlen – deutlich weniger Frauen als Männer in Vollzeit. Viele Ärztinnen kehren der Medizin den Rücken und kümmern sich nur noch um die Familie – vor allem, weil ihnen die Rahmenbedingungen des Arztberufs nicht gefallen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören die hohen Investitionskosten in eine eigene Praxis, die wie erwähnt auch die Bippener Hausärztin Mechthild Hoppe immer noch belasten. „Wir müssen den Frauen den roten Teppich ausrollen, wir müssen dafür sorgen, dass junge Ärztinnen sich finden und Gemeinschaftspraxen gründen können“, sagte der Meppener Hausarzt Jan Sievert. Der ehemalige Sprecher der Jungärzte in Niedersachsen sagte, dass die ländlichen Regionen jetzt neue Hausärzte bräuchten. „In fünf Jahren ist es zu spät.“ Eine weitere Klientel, um die man werben solle, seien die „vielen frustrierten Oberärzte“, die den Absprung in die Selbstständigkeit nicht geschafft hätten. „Die sind dann allerdings über 50 und können nicht mehr in eine neue Praxis investieren, das kriegen die nicht mehr abbezahlt.“ Der Erste Kreisrat Stefan Muhle sagte schließlich, der Landkreis habe das Problem der immer schlechter werdenden Hausarztversorgung erkannt. Um vor Ort zu helfen, will sich der Kreis unter anderem an den Kosten für die Ausbildung von Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAH) beteiligen. Eine generelle Lösung des Problems gebe es laut Muhle allerdings nicht. „Im Nordkreis haben wir eine wachsende jüngere Bevölkerung, im Südkreis ist das nicht der Fall. Schon deshalb müssen wir immer von Ort zu Ort gucken.“